Tagesarchiv: Juli 2, 2008

Rechte drängen in den Studi-Rat

Von Christian Werner in Spiegel Online

Erbitterter Wahlkampf an der Uni Jena: Konservative Studenten und Burschenschaftler wollen mit Macht in den Studierendenrat. Sie verteilen Zuckerwatte und Kuchen und kandidieren über Tarnlisten. Die Jusos glauben: Da steckt die CDU-Parteikasse dahinter.

Glaubt man der Juso-Hochschulgruppe, sind Mittwoch und Donnerstag Schicksalstage für die Jenaer Friedrich-Schiller-Universität. Bislang ist ihr Studierendenrat (Stura) traditionell links geprägt – doch das könnte sich nun ändern. Jenaer Verbindungsstudenten und Mitglieder des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) drängen fast in Kompanie-Stärke in die Studentenvertretung.

Dass politische Kontrahenten auch an der Uni um die Macht in der Studenten-Vertretung wetteifern, ist nicht neu. Dass fast ein Viertel der Kandidaten in pflichtschlagenden Verbindungen aktiv ist, schon. 112 Bewerber stehen auf den Listen zur Stura-Wahl an der Uni Jena, 25 davon sind Burschenschaftler. Sie kommen von der „Germania“, der „Arminia“, der „Kan Teutonia“ – und eine Studentin der Damenverbindung „ADV Amazonia“ ist auch dabei.

Fünf dieser Verbindungs-Studenten sind auch in der CDU-Hochschulgruppe RCDS, dazu kommen weitere 16 RCDS’ler, die nicht in einer Verbindung sind. Insgesamt stellt das konservative Lager damit 41 Kandidaten für die 29 Stura-Sitze. So viele rechte oder konservative Kandidaten gab es wohl nie zuvor. Und so viel Wahlkampf auch nicht. Im vergangenen Jahr noch nahm der RCDS zwar an der Wahl teil, zog aber nur mit einem Sitz in den Stura ein. Um die Wähler warb er damals nicht besonders.

Konservative für faire Cafeteria-Preise

Jetzt stehen die RCDS-Leute mit Luftballons, Zuckerwatte und Kuchen auf dem Campus, verteilen Flugblätter – und man muss sich beinahe wundern, dass Angela Merkel nicht persönlich im Wohnheim Klinken putzen geht.

Flankiert werden sie von den stramm-rechten Burschenschaftlern, die nicht offen auftreten. Das sei ein Teil der Strategie – so stellt es zumindest der Sprecher der Juso-Hochschulgruppe Frank Dörfler dar. Er selbst sitzt im Stura und wittert eine Kampagne der CDU-geführten Landesregierung hinter der plötzlichen Konkurrenz von rechts. Am Campus in Jena sei jetzt eine regelrechte Materialschlacht entbrannt. „Nächstes Jahr sind Wahlen in Thüringen, ein unkritischer Stura wäre da hilfreich“, sagt Dörfler.

Er findet vor allem bedenklich, dass die Verbindungs-Studenten nicht offen auftreten. Einigen Stura-Bewerbern recherchierte er über die Plattform Studi-VZ hinterher. So stieß er auf deren Mitgliedschaft in den Verbindungen. „Es ist legitim, dass sie kandidieren“, sagt Dörfler. „Doch die Studenten sollen wissen, wen sie wählen“.

Das Problem: Die Listen bei der Wahl tragen in Jena ein Motto, über das sich die politische Richtung der Kandidaten nicht immer erkennen lässt. Hinter Slogans wie „Für faire Cafeteria-Preise“, „Seminarplätze für alle“ oder „Mehr Dozenten“ stehen dieses Jahr auch öfters mal Verbindungsstudenten. Juso Dörfler: „Die Burschenschaftler wollen sich über Tarnlisten in das Gremium mogeln.“

Weil fechten, trinken, singen und die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung aber jedermanns Privatsache ist, muss ein Kandidat sie nicht angeben, wenn er sich zur Wahl stellen will. Es gebe keine Pflicht, Freizeitaktivitäten offen zu legen, sagt dazu Frances Karlen, Vorsitzender des Wahlvorstandes.

RCDS will nicht in die Ecke der Burschenschaften

Was das Wahlrecht zur Stura-Wahl nicht vorsieht, setzte daraufhin eine vom Stura finanzierte Hochschulzeitung ins Werk. Auf dem Titel des „Akrützel“ vom 5. Juni prangte ein finster dreinblickender Verbindungsstudent mit Kappe und Schmiss. Darunter stand: „Dein neuer Studentenvertreter“. Im Innenteil wurden dann die Recherchen von Stura-Mitglied Dörfler verbreitet.

„Das war keine faire Wahlkampfberichterstattung mehr“, sagt Michael Hose, Vorstand des Jenaer RCDS. Er sieht sich in eine Ecke mit den Burschenschaften gestellt. Und da will er gar nicht stehen? Ja, es gebe zwar gleiche Ansätze bei bestimmen Grundwerten, sagt Hose, aber „wir haben zum Beispiel nie eine Absprache über einen gemeinsamen Wahlkampf getroffen“. Die plötzliche Präsenz der Gruppen sei purer Zufall und vielmehr Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Arbeit des aktuellen Sturas.

Der RCDS revanchierte sich für die Attacke des „Akrützel“: Kurze Zeit später verteilten die Konservativen auf dem Campus ein Heft, das eine Parodie auf den „Akrützel“ sein sollte: Sie haben dem Schriftzug ein „L“ hinzugefügt: „L-Akrützel“. Statt des Burschenschaftlers druckten sie Barack Obama auf die Titelseite. Drunter steht: „Yes, you can“.

Der RCDS verteilte das Heft auf dem Campus, 7500 Stück. Der „Akrützel“ hat nur eine Auflage von 5500 Stück. „Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn genau in der Woche sind wir nicht erschienen“, sagt „Akrützel“-Chefredakteurin Kristin Haug. „Viele Leute dachten, das sei unsere neue Sonderbeilage zur Wahl.“

Der „Akrützel“ zieht vor Gericht

Zwar kennt man vom RCDS auch bessere Verfremdungs-Versuche, wie eine zumindest originelle Protestaktion der Unions-Studenten gegen die Verherrlichung des kubanischen Revolutionsführers Che Guevarabeweist. Doch auch das wenig geistreich abgeänderte Titelblatt der Jenaer Hochschulzeitung „Akrützel“ verfehlte seine provozierende Wirkung nicht: Erzürnt zog dessen Redaktion vor das Amtsgericht Jena, und verbot dem RCDS mittels Unterlassungsverfügung, die Replik weiter zu verteilen.

Und woher kommt nun das Geld für die 7500 Hefte? Für die Zuckerwatte? Den Kuchen?

Michael Hose vom RCDS bestreitet, von der Mutterpartei zusätzlich mit Wahlkampfgeld versorgt zu werden: „Höchstens zehn Prozent unserer Mittel kommen von der CDU. Den Großteil bestreiten wir über Mitgliedsbeiträge und Sponsoren aus der Wirtschaft.“

Kurz vor Öffnung der Wahllokale am Mittwoch ist nun wieder etwas Ruhe eingekehrt: Jusos, RCDS und die „Akrützel“-Redaktion trafen sich und verhandelten – jetzt darf die per Gericht untersagte Wahlzeitung zumindest ohne das „Lakrützel“-Cover verteilt werden. Entspannungspolitik? Gut möglich.

Vielleicht müssen sie schon bald zusammenarbeiten.